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Maßgeschneiderte Anlage für das Handling von Fest- und Flüssigstoffen

08.03.2021
von Redaktion VERFAHRENSTECHNIK

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Schon seit Jahrhunderten mischen Menschen trockene Pulver mit Flüssigkeiten. Die aktuelle Herausforderung dabei ist, dass das Fördern, Dosieren, Mischen, Reagieren und Handling dieser Stoffe bei gleichzeitiger Rezepttreue, Prozess- und Anlagensicherheit erfolgen. Wie ein Anlagenbauer solche Projekte beim Kunden umsetzt und dabei all diese Kriterien erfüllt, wird im Beitrag beschrieben.

In der maßgeschneiderten Komplettanlage wird ein Gel hergestellt, das sich aus verschiedenen Flüssigkeiten mit dynamischen Viskositäten von 1 mPas bis hin zu 50 000 mPas und unterschiedlichsten physikalischen Eigenschaften zusammensetzt, die sich dilatant oder auch strukturviskos verhalten können. Die dabei verwendeten Pulver sind teilweise sehr fein, hygroskopisch, zeitverfestigend und klebrig. Das Endprodukt muss bei einer Temperatur von 150 °C hergestellt werden, damit die Flüssigkeiten mit den Feststoffen wie gewünscht reagieren, sich vermischen und es damit die erwünschten chemischen und physikalischen Eigenschaften erhält.

Bei diesem Prozess ist die Besonderheit, dass eine Kreuzkontamination der Brüden mit den Rohstoffpulvern unbedingt vermieden werden muss. Da das Pulver aber erst bei 150 °C eingegeben werden darf, musste eine Lösung gefunden werden, um zu verhindern, dass die Brüden die Pulverrohstoffleitungen kontaminieren. Zugleich ergab sich das Problem, dass bestimmte Rezeptkomponenten relativ früh auszudampfen beginnen, was zum einem die Notwendigkeit zur Einstufung in eine Ex-Zone voraussetzt und zum anderen Bestandteile in der Rezeptur unkontrolliert verdampfen lässt. Weiterhin muss eine Temperaturrange von ± 3 °C eingehalten werden, damit das Produkt stabil bleibt. Wird es zu heiß, wird das Gel sofort unbrauchbar. Wird es zu kalt, härtet es innerhalb weniger Sekunden aus, und es ist nicht mehr förderbar. Das Produkt muss also bis hin zur Verarbeitungsmaschine, auf der das Gel in Blöcke gegossen wird, auf konstanter Temperatur gehalten werden.

Temperatur überwachen

Da das Gel eine hohe selbstisolierende Wirkung hat, ist eine Änderung des Temperatur-istzustandes nur sehr langsam realisierbar. Ausschlaggebend ist hier, dass es keinerlei Wärmebrücken in der Gesamtanlage geben darf, in denen das Material auskühlen kann. Da das Fertigprodukt zudem noch einen geringen Wärmeleitkoeffizienten hat, ist eine stabile Erfassung der eigentlichen Kerntemperatur eines der Hauptprobleme im Prozess. Nachdem in einer Laboranlage erfolgreich ein qualitativ hochwertiges Gel hergestellt werden konnte, mussten sich all diese Parameter einem Scale-up unterziehen, um den Prozess auf eine Produktionsanlage konkret ummünzen zu können. Dort ist das wichtigste Kriterium, neben der Sicherheit auch die Reproduzierbarkeit sicherzustellen.

Gabriel Kubina: “Wir stehen von Anfang an mit dem Betreiber in Kontakt, um kundenspezifische Lösungen zu erarbeiten. Wir fertigen selbst, unser Montageteam stellt die Anlagen auf und nimmt sie in Betrieb – alles aus einer Hand.”

Speziell zu beachten dabei ist, dass der Temperaturübergang optimal im Verfahren realisiert werden muss. Zur Sicherstellung der Produktqualität muss zudem ein Reinigungsprozess realisiert werden, um Bakterien und dem damit verbundenen Schimmelbefall auf Dauer vorzubeugen. Allem voraus ist ein Konzept unter strikter Einhaltung von Regularien für die Sicherheit der Anlagenbediener und des Wartungspersonals zu entwickeln. Grundlage dafür ist eine umfangreiche FMEA (Failure Mode and Effects Analysis), die den ganzen Prozess im Detail abbildet und Risiken von vornherein betrachtet und abstellt bzw. auf das Minimum reduziert.

Um auch die Flüssigkeiten mit hoher Viskosität fördern zu können, werden diese schon als Rohstoff auf Temperatur erhitzt und vorgelagert. Einige Flüssigkeiten sind bei Raumtemperatur so fest, dass sie als geflakter Rohstoff angeliefert werden. Bei Bedarf wird eine beliebige Menge mit einem Schnellmischsystem mit friktionellem Energieeintrag innerhalb von 5–6 min verflüssigt und danach in einem weiteren Bedarfsbehälter nur noch auf Temperatur gehalten.

Auch hier war die Herausforderung, eine sehr enge Temperaturrange nicht zu über- aber auch nicht zu unterschreiten. Bei Überschreitung der Temperatur wäre das Produkt chemisch zerstört und bei Unterschreitung der Temperatur würde das Produkt nicht fließen. Durch die bedarfsorientierte Schnellerhitzung konnte somit die sonst übliche hohe Energiemenge zur konstanten Temperaturlagerung und insbesondere die dadurch resultierenden hohen Lieferkosten gesenkt werden. Jetzt kann das Produkt in Big-Bags oder Säcken vorgelagert und nach Produktionsbedarf entnommen und aufgeschmolzen werden.

Zufuhr und Austrag regeln

Um dem schlechten Fließverhalten der Pulver entgegenzuwirken, wurde mit spezifischen Vorrichtungen an Silos und Big-Bag-Stationen der Austrag in die Prozessanlage garantiert. Dort spielt nicht nur die chemische Beschaffenheit der Pulver eine entscheidende Rolle, sondern auch physikalische Größen, wie Partikelform, Schüttgewichte und die Korngrößen. Das Verhältnis zwischen den einzelnen Rohstoffen ist hier ein entscheidender Faktor. Das Fließverhalten, der Durchsatz, der Rezeptanteil und die Dosiergenauigkeit sind ausschlaggebend für die Wahl des Dosiersystems. Hier wurden Dosierorgane wie eine klassische Schneckendosierung über Vibrationssiebförderer bis hin zu Scheibendosierern eingesetzt. Um auch Pulveragglomerate nicht nur auszusieben, sondern im Prozess wiederzuverwerten, wurden diese Produkte in einem Desagglomerator zu ausschussfreiem verwertbarem Pulver bearbeitet.

Im Herzstück der Anlage (Bild) werden schließlich alle Rohstoffe in einen Reaktionsbehälter gegeben. Dort wird die Flüssigkeit auf 150 °C vorgehalten. Danach können erst die Zusatzstoffe wie z. B. die Pulver hinzugefügt werden. Um die Zuführrohrleitung vor Kontamination und den Ausdünstungen der Flüssigkeiten zu schützen, wird das trockene Pulver über eine Gaskondensatsperre hinzugegeben. Dies verhindert die vorzeitige Verunreinigung der Pulverrohstoffe selbst und beugt unnötigem Wartungs- bzw. Reinigungsaufwand vor.

Sicherheit gewährleisten

Eine einfache Pauschalisierung im Explosionsschutz führt oftmals zu einer Fehleinschätzung der Komplettanlage und zu unnötigen Kosten. Deshalb wurde die Anlage genau betrachtet, um alle Risiken ausreichend auszuschließen. Damit konnten Ex-Zonen herabgesetzt oder sogar ausgeschlossen werden. Im besten Fall kann durch die richtige Auswahl der Anlagentechnik sichergestellt werden, dass eine Zündquellenvermeidung garantiert ist.

In vielen Prozessen ist es notwendig, zu entfeuchten oder bestimmte Rezeptbestandteile zu erhalten. Die Schwallluft durch das Befüllen der Pulver und die zugeführte Trockenluft in der Gaskondensatsperre müssen sicher entweichen können. Damit all diese Kriterien erfüllt werden, ist eine Abluftleitung mit eingebautem Kondensatabscheider inklusive Rücklaufleitung in den Prozessbehälter zum Einsatz gekommen. Besonders wichtig war hier auch, dass der Kondensatabscheider dauerhaft frei von feuchtem Staub bleibt, nicht blockiert und der Behälter keinen unnötigen und unerwünschten Überdruck erzeugt. Dieser Überdruck würde nicht nur dazu führen, dass der Behälter dann der Druckgeräterichtlinie unterliegt, sondern auch dass sich der chemische Prozess unerwünscht ändern würde. Der kritische Punkt (Phasendiagramm) einiger Stoffe würde sich somit verschieben und die Reaktion im Behälter ungewollt und unberechenbar umgestalten.

Die Temperatur des Produktes muss auch im Förderprozess stabil gehalten werden. Hier wurde auf doppelwandig beheizte und isolierte Rohrleitungen gesetzt, um ungewollte Wärmebrücken zu verhindern. Selbst die Flanschverbindungen sind doppelwandig beheizt und der Rohrleitungsinhalt wird stetig umgepumpt. Die kontrollierbaren Parameter sollten möglichst konstant gehalten werden, damit Handling und Dosieren stets reproduzierbar bleiben.


Quellen: Kitzmann (Fotos)
Autor: Gabriel Kubina, Vertriebsleiter, Kitzmann-Gruppe, Lengerich

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